EURATOM Watch beleuchtet die atomare Privilegienfestung in den energiepolitischen Kulissen Europas

EURATOM Schlaglichter - Dezember 2016

Gemäß der Zielsetzung unseres Newsletters stellen wir in der Rubrik "EURATOM Schlaglichter" Kurzbeiträge zur europäischen Atompolitik zur Verfügung. Die Bandbreite an Texten reicht inhaltlich von relativ unmittelbaren EURATOM-Bezügen bis hin zu lediglich weitläufig verwandten Bereichen - in Summe wird das gesamte Bühnenbild, so hoffen wir, dadurch in jedem Fall versteh- und (an-)greifbarer. 

# BREXATOM

Prof. Hummer: „Bewirkt der BREXIT auch den automatischen Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus EURATOM?“ 

Dieser Frage geht der emeritierte Europa- und Völkerrechtler Waldemar Hummer in einem 10-seitigen Artikel nach, der im Newsletter der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik erschienen ist. Und geht in diesem Zusammenhang auch auf „gegenseitige Bedingtheiten zwischen EU und EURATOM“ ein. Hummer zufolge wurde das britische Elektorat in der Volksabstimmung vom 23. Juni 2016 nicht über die negativen Folgen des "unter Umständen (mit dem BREXIT) verbundenen Austrittes aus EURATOM" befragt. Wegen der institutionellen Verzahnung zwischen EURATOM und EU aber entstehe eine "zweite Front" in den BREXIT-Austrittsverhandlungen. Vor allem sei nach Hummers Ansicht „das ambitionierte Ausbauprogramm" von Großbritannien in Hinkley Point C gefährdet. Interessant sind bei Hummers Ausführungen mitunter die drei „Handlungsempfehlungen“, die er aus seiner Analyse ableitet und dem Artikel voranstellt. HIER gehts zu dem Artikel.

# Ungarn

AKW Paks-2: erneuter Kniefall der EU-Kommission vor der Atomlobby

Nach der Entscheidung der EU-Kommission (EK) im Herbst 2014, staatliche Beihilfen in Milliardenhöhe für den Bau des AKW Hinkley Point C zuzulassen, wird nun ebenso in Ungarn das EU-Wettbewerbsrecht per Kommissionsentscheid ausgehebelt.

Paks-2 wurde entgegen europäischem Vergaberecht nicht öffentlich ausgeschrieben. Das Projekt ging direkt an den russischen Atomgiganten ROSATOM. Die EK hat dagegen nicht einzuwenden, Begründung: "technische Exklusivität" (für das ungarische AKW passe nur russische Technologie). Auch die fast geschenkten russischen Kredite seien „keine unerlaubte Beihilfe“. Diese Kommissionsentscheidung „entspricht ganz der Geschichte des Atomsektors seit der Geburtsstunde von EURATOM", so Benedek
JÁVOR, Mitglied des europäischen Parlaments, in seiner Kolumne bei Nuclear Transparency Watch.

Die EU-Kommission begründet die Beihilfen überdies mit einem sogenannten „gemeinsamen Interesse“! Österreichs Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner warnte im Vorfeld, gegen eine Genehmigung dieser Staatsbeihilfen erneut Klage beim EuGH einzureichen. Wie das oberösterreichische Anti Atom Komitee in seiner Pressemitteilung vom 6.12.2016 betont, pochen Österreichs Atomgegner derzeit vehement auf die Umsetzung dieser Absicht.

# Ungarn - Russland

Atom-Deal Ungarn-Russland: die EU-Genehmigung und der OETTIGATE-Skandal

Klaus Mangold ist stv. Vorsitzender der Rothschild-Europa Investitionsbank. Und berät die ungarische Regierung zum Milliardenvorhaben AKW Paks-2. Darüber hinaus hat er enge Verbindungen zum Kreml – Spitzname in der deutschen Presse: „Mr. Russland“. Die EU-Kommission prüft den Finanz-Deal zwischen Orbán und Putin aus dem Jahr 2014 zum Bau von Paks-2 durch den russischen Staatskonzern ROSATOM. Faktum: keine offene Ausschreibung, eine einzige Offerte herangezogen (ROSATOM) und der Verdacht: russische Milliardenkredite als staatliche Beihilfe.

Günther Oettinger war EU-Energiekommissar, als die Paks-2-Betreiber und ROSATOM sich 2014 zusammentaten. Das Prüfverfahren wurde 2015 nach Oettingers Abgang aus diesem Amt eingeleitet. Nun flog EU-Digitalkommissar Oettinger just mit Paks-2-Mittelsmann Mangold in dessen Privatjet zur Regierung in Budapest, berichtet Tim King in POLITICO. Kurz danach ließ die EU-Kommission in der zweiten November-Hälfte 2016 beide Untersuchungen fallen und gab grünes Licht für Paks-2.

Die Bekanntschaft zwischen Oettinger und Mangold dürfte bereits länger zurückliegen. Als Oettinger Ministerpräsident von Baden-Württemberg war, arbeitete Mangold als russischer Honorarkonsul in dem Bundesland. 

Laut EU-Kommission ist keine Unlauterkeit im Spiel. Junckers Kabinettschef Martin Selmayr auf einer Versammlung seiner KollegInnen in der Europäischen Volkspartei: „Oettinger muss um jeden Preis verteidigt werden“

# Ukraine

„Ukrainische Atomsucht unmöglich ohne EU-Unterstützung“

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und EURATOM haben mit je EUR 300 Millionen sogenannte Sicherheitsnachrüstungsprogramme für ukrainische AKWs unterstützt, berichtet Iryna Holovko von der NGO CEE Bankwatch in der energypost.

Zuletzt diesen Herbst für die äußerst problematischen Blöcke Zaporoschje 1 und 2. Das bedeutet auch: Geld der SteuerzahlerInnen aus Staaten, die ihrerseits beschlossen haben, es nicht länger auf einen Atomunfall ankommen zu lassen (D, I, CH…), wird dazu verwendet, die Atomfixierung der ukrainischen Regierung weiter zu nähren!

Neben den wiederholten Pannen in bereits nachgerüsteten Anlagen beklagen NGOs wie das National Ecological Center of Ukraine (NECU) die Weigerung des Regierung und des staatlichen Stromkonzerns Energoatom, im Hinblick auf die Laufzeitverlängerungen nationale und grenzüberschreitende Bürgerbeteiligung zuzulassen – obwohl die Kreditvereinbarungen zwischen Energoatom und EURATOM/EBRD der Ukraine die Beachtung der UNO-Konventionen von Espoo und Aarhus auferlegen.

Holovko kommentiert diesen Umstand auf openDemocracy mit deutlichen Worten: „Wenn Europa die Verletzung internationaler Abkommen duldet, sendet es der Ukraine eine falsche Botschaft hinsichtlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und wenn Europa mit öffentlichem Geld diese Nuklearenergieentwicklung unterstützt, schafft es einen gefährlichen Präzedenzfall für die gesamte EU, wo immerhin 30 Reaktoren auf das Ende ihrer geplanten Lebensdauer zugehen.“ 


Fotocredit: Peter Engel / Festung Hohensalzburg